2004 | Sehen im Dunkeln | Diaprojektion und Kunstgeschichte

 

Sehen im Dunkeln – Diaprojektion und Kunstgeschichte

I.

Die Aufgaben und Verwendungsmöglichkeiten des digitalen Bildes lösten eine Diskussion über eine digitale Kunstgeschichte aus, die auf ein neues Zeitalter des Faches hinweist. Vor diesem Hintergrund mehrten sich auch die wissenschaftlichen Beiträge über die traditionellen Bildmedien, mit denen die Kunstgeschichte bis jetzt gearbeitet hat.i Neben der gewichtigen und für das Fach so wegweisenden wie fruchtbaren Beziehung zwischen Fotografie und Kunstgeschichte wird in diesen Beiträgen wiederholt auf die Eigenheit und die Entwicklung des kunsthistorischen Unterrichts durch die Diaprojektion hingewiesen. Dieser Beitrag wird einführend relevante Aspekte dieser Entwicklung nachzeichnen.ii Anschliessend soll die oftmals unklare Abgrenzung des Diapositivs zur Fotografie (als Positiv-Papierabzug) wie zum Originalwerk beleuchtet werden. Einige Gedanken zum diaprojektiven Dispositiv werden den Beitrag abschliessen.iii Die Reproduktion als objektivierendes Medium innerhalb der Institutionalisierung der Kunstwissenschaft und die von Faszination geprägte Verwendung der Diaprojektion wird sich dabei als grundlegendes Paradoxon erweisen. Umso naheliegender scheint der Versuch, die kunsthistorische Diaprojektion als einen paradigmatischen Gegenentwurf eines medialen Erlebnisraums zu verstehen, der den zentralperspektivisch geordneten Bildraum als Simulation von Gegenwart abzulösen vermag. Dem diaprojektiven Dispositiv als Vermittlermedium zwischen Sehen und Erinnern könnte dabei ein neuer Platz innerhalb der kunsthistorischen Methodologie zugewiesen werden.

II.

Die Diaprojektion als kunsthistorische Eigenheit der Wissensvermittlung wurde durch Heinrich Dilly Anfang der siebziger Jahre erstmals grundlegend untersucht.iv Schon der Titel seines Beitrages über die Lichtbildprojektion weist auf die Komplexität dieser Erscheinung hin. Als »Prothese der Kunstbetrachtung« vereint sie die Problematik, dass nicht vor Ort vorhandene und zuweilen kleinformatige Bildwerke mit einer mechanischen Hilfsapparatur sichtbar gemacht werden. In seiner Einleitung nimmt Dilly die vermittelnde Funktion der fotografischen Reproduktion zum Anlass, um nicht nur auf den Beobachterstatus des Kunsthistorikers hinzuweisen, sondern auch auf das durch das Medium »gereinigte« Werk, das »sachliches Substrat, Faktum«v wird. Diese »fotografische Umsetzung einer wissenschaftlichen Sachlichkeit«vi begründet sich durch die Ausblendung von Massfigur und Hintergrund, d.h. vom »Bezug zum Menschen, zur Umwelt, zur Gesellschaft«vii. Daraus resultiert nicht nur ein auktorialer Einfluss des Fotografen auf die Abbildung, sondern auch der Verlust der »unmittelbaren Spannung zum Kunstwerk«viii, dem sich der Interpret ausgesetzt sieht. Dass sich das Vermittlermedium und nicht das Original auf Wahrnehmung, Analyse und Interpretation niederschlägt, d.h. nur reproduzierte Kunst für die Kunstgeschichte in Betracht gezogen wird,ix gilt heute als Topoi unseres Fachs.

Dilly weist auf den ersten Versuch des Karlsruher Universitätsprofessors Bruno Meyer (1840−1918) hin, der anlässlich des ersten kunstwissenschaftlichen Kongresses in Wien 1873 mit der Vorführung eines Nebelapparates die neue Art der Vermittlung publik machen wollte. Diese Demonstration Meyers, offenbar im Nebenraum eines Gasthofs abgehalten, sollte misslingen:x Problematisch erwies sich die mangelhafte Lichtstärke des Apparatesxi sowie die Qualität der Glasdias.xii Trotz überwiegend negativer Resonanz der wenigen anwesenden Kunsthistoriker hielt Meyer an seiner Überzeugung fest und gilt heute im deutschsprachigen Raum als erster, der ab 1880 mit Dias seinen kunsthistorischen Unterricht bestritt.xiii

Entscheidender Vermittler und Proklamator der Diaprojektion wurde Herman Grimm (1872−1901). Er war Professor für Kunstgeschichte in Berlin und dortiger Lehrer Heinrich Wölfflins (1864−1945). Grimm galt als eine rhetorische Begabungxiv und verfasste mit einem Artikel in der Nationalzeitungxv 1897 ein Pamphlet zu Gunsten der Diaprojektion, dessen Schlagworte bis heute allgemeine Gültigkeit haben: Die Projektion ermöglicht die Synchronität von Wort und Bild und die gleiche Sichtbarkeit für alle Hörer. Sie besitzt Vorteile durch die Vergrösserung, unterstützt die serielle Erläuterung von Entwicklungsgeschichten und ermöglicht die vergleichende Betrachtung zweier Bilder. Durch den verdunkelten Hörsaal wird zudem eine verbesserte Aufmerksamkeit erreicht.

Grimm darf beispielhaft dafür angesehen werden, wie sich unter ihm die Kunstgeschichte innerhalb kurzer Zeit von der historisch-philologischen Quellenkritik hin zu einer Wissenschaft des Sehens wandelte, deren neue Ansätze später durch Heinrich Wölfflins Formanalyse entscheidend weiterentwickelt wurden. August Schmarsow (1853−1936) kritisiert 1891 den Berliner Professor als vehementen Gegner der fotografischen Reproduktion und zitiert seine Aussagen: »Ohne Vorlagen! Alle Werke nur in Beschreibungen sichtbar! (…) Gezeigt kann da vorerst überhaupt nichts werden. Photographien würden den Anfänger eher verwirren, als ihm klar machen, worauf es ankommt.«xvi Ohne Anschauung aber, so Schmarsow in seinen Ausführungen, »wenigstens in guter, dem jeweiligen Lehrzweck entsprechender Reproduktion«, sei »Alles nur wesenloses Gerede über die Dinge hin (…).«xvii Obwohl Schmarsow Umstände beschreibt, die an die Verwendung von Dias erinnern,xviii erwähnt er die Projektion nicht wörtlich. Seine Ausführungen dürften sich deshalb noch auf die Reproduktionen der ersten Generation beziehen, die während der Vorlesung durch die Zuhörerreihen wanderten.xix Die Tatsache, dass Grimm zuerst herkömmliche Reproduktionen verurteilte, später das projizierte Bild an der Wand jedoch über alle Massen pries, sie sogar zur Entdeckung von Fälschungen als geeignet ansah (!),xx weist darauf hin, welche Faszination das neue Medium mittlerweile auf ihn ausübte. Auch wenn Grimm noch auf die massstabsgetreue Wiedergabe der Werke Rücksicht nahm,xxi so überwiegen doch seine Aussagen, die die Projektion ihrer Fähigkeiten wegen über das eigentliche Werk stellen: Die Wirkung werde durch die Vergrösserung erhöht, die Aufnahme ins Gedächtnis erleichtert, und sie zeige die wahre Qualität eines Werkes, denn »nur die Werke ersten Ranges bestehen die Probe«.xxii Grimm erwähnt zwar, dass die Reproduktion und nicht das Original in Erinnerung bleibe, doch thematisiert er diese Problematik nicht weiter.xxiii

Vermutlich gehörte die Doppelprojektion bereits bei Grimm, zumindest im Berliner Hörsaal, zum Standard.xxiv Grimm sieht den wichtigsten Vorteil der Bilder, die zu »gleicher Zeit sichtbar gemacht werden«, in der vergleichenden Betrachtung. In der Entwicklung dieser kunsthistorischen Methode nimmt die Bedeutung der Diaprojektion eine eigene, auf alle Fälle standardbestimmende Position ein. Die vergleichende Betrachtung an sich wurde bereits an Originalen und Reproduktionen geschult, noch bevor mit dem Diaprojektor gearbeitet wurde. Eine Umfrage an den deutschsprachigen Universitäten, die 1896 von Max Schmid am kunsthistorischen Kongress in Budapest vorgetragen wurde, gab nicht nur Aufschluss darüber, an welchen Hochschulen bereits Lichtbildapparate verwendet wurden, sondern auch auf welche Art und Weise. So benutzte nur ein Teil der Dozenten den Apparat während des Vortrags, andere nur am Schluss, wieder andere nur in besonderen Demonstrationsstunden.xxv Die kombinierte Verwendung verschiedener Medien zeigt auf eindringliche Weise die Abbildung des Leipziger Hörsaales von 1909. Obwohl bereits Anton Springer (1825−1891) die Diaprojektion versucht haben soll,xxvi schien sie ihm offenbar zu wenig ausgereift, um sie für den Neubau des kunsthistorischen Seminars in Leipzig in Erwägung zu ziehen. Nur mit grossen Schwierigkeiten gelang es seinem Nachfolger Schmarsow, einen solchen Vorlesungssaal nachträglich einzurichten (Abb. S. ….).

Neben dem Katheder befand sich der Projektionsapparat, der durch eine Art Podium erhöht war und dessen Bilder auf die gegenüberliegende Wand projiziert werden konnten. Die Verwendung von herkömmlichem Bildmaterial war offenbar noch so wichtig, dass am vorderen Rande des Podiums unterhalb des Projektionsapparates eine Holzwand montiert wurde, in deren Querleisten Bilder eingeschoben werden konnten. Im Raum waren zudem Wandtafeln zur Präsentation von Zeichnungen oder Grundrissen, eine Staffelei sowie ein Lattengerüst mit Querleisten vorhanden. Das Publikum musste sich, wenn mit Lichtbildern gearbeitet wurde, vom dozierenden Professor ab- und der gegenüberliegenden Wand zuwenden. »Deshalb sind zur Bequemlichkeit der Hörer die Sitzreihen nicht aus festen Bänken, sondern aus lauter einzelnen runden Drehsesseln hergestellt, die sich, um einen am Boden festgeschraubten konischen Eisenzapfen in ihrem Standfuss kreisend, jeder leisen Wendung des darauf Sitzenden folgsam erweisen.«xxvii Auch vom Hörsaal Grimms weiss man, dass noch Reproduktionsstiche von Giovanni Volpato nach Raffaels Fresken im Vatikan fest montiert waren.xxviii

Weder der Umgang mit Bildmaterial zu dieser Zeit, noch die Eindrücke, die ein solches Nebeneinander verschiedener Medien bei Dozierenden und Studenten hinterlassen haben, sind durch solche Beschreibungen vollständig nachvollziehbar. Originale, Kopien, Stiche, Fotografien, eigenhändige Zeichnungen der Dozentenxxix und neuerdings an der Wand schwebende, der Materialität entzogene Bilder, wurden in gleichem Masse betrachtet. Die Beiträge Herman Grimms wie auch Max Hauttmannsxxx zeigen, dass für unser Verständnis äusserst unkonventionelle Versuche mit dem neuen Unterrichtsmittel unternommen wurden. Hauttmann erläutert in seinem Beitrag zur Kunstpädagogik Versuche von »zeichnerischen Operationen«, die er mit Hilfe des Projektionsapparates an Beispielen romanischer Skulptur direkt an der Wandtafel vollzog. Nach einer ersten mündlichen Beschreibung wurde von einem Zeichner das festgehalten, »was die Wortanalyse aus den Bildern heraus oder in sie hinein gesehen hatte.«xxxi Die pädagogischen Vorteile dieser Übung lagen für Hauttmann in der Anschaulichkeit gegenüber der mündlichen Analyse und der »vom Kunsthistoriker sonst so schmerzlich vermissten Möglichkeit manueller Betätigung am Kunstwerk«.xxxii Durch das Näherrücken des Apparats konnten Details herausgegriffen werden, für Hautmann »fast dem Mikroskop vergleichbare Dienste«.xxxiii Zeichnung und Lichtbild in gleicher Massstäblichkeit übereinandergelegt und verglichen schien über das Demonstrationsverfahren hinaus auch eine Untersuchungsmethode zu sein.

Die allmähliche Verdrängung der herumgereichten Reproduktionen verschiedenster Art durch die zu Beginn noch schwarz-weissen Diasxxxiv bewirkte sowohl eine »Ästhetisierung« des Bildmaterials, als auch des Unterrichts. Er wurde nun nicht mehr vor einer kleinen Studentenschaft, sondern vor einer im Dunkeln sitzenden Hörermasse abgehalten.xxxv Die Ausblendung visueller Ablenkungen durch die Verdunklung des Hörsaals, die formale Ordnung des Vorlesungsablaufs durch Diareihen und der rhythmische Klick des Projektorsxxxvi sind heute Standard jeder kunsthistorischen Vorlesung. Die Verdunklung des Raumes, die dadurch erreichte Steigerung der Aufmerksamkeit auf ein von der Wand reflektiertes Bilderpaar und die feste Position der Zuhörerschaft im Raum sind ausreichende Elemente, um von einem Dispositiv zu sprechen, wie es in der Filmwissenschaft schon seit längerem getan wird.

Die Erscheinung an der Wand, die »Geworfenheit« der Bilder und ihre Faszination auf Vertreter des Faches hat Heinrich Dilly in einem weiteren Beitrag aufgenommen und den Begriff des Kunsthistorikers als »Bilderwerfer«xxxvii geprägt. Horst Bredekamp beschreibt den Umgang mit Dias und Diaprojektionen bereits für den Studienanfänger als Selbstverständlichkeit und erinnert, dass noch heute angesichts der Projektion das Original in Vergessenheit gerät: »[Das Dia] verwandelt den Hörsaal in eine platonische Höhle, in der die Bilder den Charakter verlieren, nur reproduzierte Kunstwerke zu sein. Das Halbdunkel, das von den Blitzlichtern eines imaginären Museums erleuchtet wird, wirkt bisweilen magischer als die gedimmten Säle von Museen und Kabinetten.« Die Magie des Dias hat auch Silke Wenkxxxviii näher eingekreist. Sie bemerkt ein erhöhtes Problembewusstsein über die mediale Reproduktion von Kunstwerken, deren Interpretation sie bestimmten. Bisweilen geben sie zu »verfehlten Schlüssen Anlass«, trotz und obwohl gerade noch »die Illusion der Wahrheit des Originals« nicht mehr angezweifelt wird. Das »Zeigen und Schweigen« ist symptomatisch, nicht nur, weil es bei der Diaprojektion um ein Vermittlungsinstrument geht, sondern auch um die Grundlagen der Disziplin selbst.xxxix Wenks Beitrag fasst die Vorteile der Dias innerhalb der wissenschaftlichen Methodik nochmals zusammen. Zu dieser Entwicklung gehören für sie das formanalytische Verfahren, das »moderne Sehen« und die Überwindung des »verwirrenden Durcheinanders« von Sammlungen zu Gunsten »klarer Verhältnisse«, wie es Wölfflin formulierte.xl Ebenso bedeutend ist ihr Grimms Vergleich des Skioptikons mit einem Mikroskop, die gleichmässige und gleichzeitige Darstellung der Kunstwerke und die Analogie der Projektion zur musealen Präsentation. Durch die Serialität beider Präsentationsarten verliert laut Grimm nicht nur die fotografische Reproduktion, sondern auch das Original (im Sinne vom Einzelwerk unter vielen) an seinem musealen Standort die Aura. Wenk bezeichnet dies ein »Wechselspiel«, denn sowohl Museum wie fotografische Reproduktion schaffen auch »den Rahmen, im dem es [das Original] die Aura erhält.« Die Serialisierung entledigt sich dem »originalen Rahmen« und ersetzt ihn durch einen neuen, namentlich den der Kunstgeschichte.xli

Im Folgenden geht Silke Wenk auf das Verhältnis zwischen der bedingten Parallelität von Wort und Bild (»Die Aufhebung der Nachträglichkeit des Kommentars«xlii) und dem Verstummen des Wortes im Anblick des projizierten Werks ein. Anhand von Textanalysen zeigt die Autorin auf, wie die Beschreibung angesichts des nun für alle sichtbaren Bildes nichtig wird. Ein allfälliger Kommentar wird durch die Möglichkeit der direkten Kontrolle am Bild unanfechtbar und unterstützt die Autorität des Vortragenden, da das Bild schon als »Wahrheit« für sich steht. Hinter der medialen Präsentation, die den von Wenk festgestellten Autoritätsanspruch unterstützt, tritt die Frage nach der Auswahl und Gliederung der Bilder (ihre »Einrahmung«) in den Hintergrund. Die Vorstrukturierungen und »diskursiven Formatierungen der Kunstgeschichte«,xliii die im Dunkel der Hörsäle verschwinden, sieht sie in einer »Sexualisierung der Beziehung zwischen dem Kunsthistoriker und dem Publikum«.xliv Die Rede des (männlichen) Kunsthistorikers, die »gleichsam mit Gewalt in [einen] eindringt«,xlv sei ein Ausdruck des Männerbündischen, da ebenso medial inszeniert, wie das Werk an sich.

Der Verdeckung diskursiver Formationen innerhalb der Kunstgeschichte durch die männliche Authoritätsinszenierung im Hörsaal, wie sie von Wenk erläutert wurde, setzt Robert S. Nelson eine Analyse von drei konstituierenden Parametern entgegen, mit denen der Autor das Phänomen des Diaprojektionsvortrags medial erfassen möchte.xlvi Als »performatives Dreieck« bezeichnet er Redner, Hörer und Bild. Aufgrund von Beispielen aus dem heutigen Sprachgebrauch bei Diavorträgen schliesst der Autor auf die funktionierende illusionäre Kraft des Dias, das als »Sache an sich«, als »Simulakrum des Kunstwerkes«xlvii präsent ist. Wortführungen durch das Bild wie »links sehen wir«, oder »wenn Sie genau hinsehen, werden Sie feststellen« lassen den Anwesenden im Hörsaal zu einem »modernen Betrachter«xlviii werden. In seinem historischen Überblick weist Nelson auf die Bedeutung der Fotografie, besonders auf ihre Vergrösserung als wissenschaftliches Instrumentarium zur Systematisierung hin. Mit einem Verweis auf Lorraine Daston und Peter Galisonxlix beschreibt der Autor die Reproduktion als »objektive Repräsentation eines Kunstwerks«,l das neue Argumentationsweisen erlaubt. Im Gegensatz zur traditionellen Ekphrasis ist es möglich, in induktiver Weise visuelle Argumentationen auf beobachtete Einzelfälle zu stützen, wie ikonographische Motive oder formale Eigenheiten. Durch die Verschmelzung von Bild und Wort befindet sich das Kunstwerk in einem diskursiven Raum und benötigt weniger Beschreibung. Trotz des Auraverlusts des Originals durch die Fotografie schreibt Nelson dem projizierten Dia die Fähigkeit zu, durch die gelungene Rede das Original wiederbeleben zu können. Obwohl durch die Referentialität mit dem Original verbunden, ist das projizierte Dia zugleich von der Geschichte getrennt und von Kontexterfahrungen wie Gerüchen, Geräuschen und dergleichen abgekoppelt. Es verwandelt das Kunstwerk zu einem Faktum, und es ist diese Veränderung, die das Fach näher zu anderen positivistischen und induktiven Wissenschaften bringt.li

Zu den jüngsten Beiträgen zählen jene von Wiebke Ratzeburglii und Ingeborg Reichle.liii Ratzeburg situiert die Fotografie im Kontext von Kunst, Unterhaltung und Wissenschaft und geht ausführlich auf die an den kunsthistorischen Kongressen geführte Fotografie- und Grafikdiskussion in den 1860er und 1870er Jahren ein. Das Verhältnis von gesellschaftlichem Wandel und veränderter Wissenschaftspraxis an Hand der »neuen Medien« Fotografie und Diaprojektion wird von Ingeborg Reichle untersucht. Sie spannt den Bogen von den ersten Phantasmagorien der Laterna Magica-Apparate über die Problematik des Verlusts des Originals bis hin zur digitalen Wissensordnung, wie sie in dem von ihr geforderten Bezugssystem der kunstwissenschaftlichen Forschung zur Diskussion steht.

Dieser kurze Überblick über die historischen und aktuellen Betrachtungen zum Medium Diaprojektion hat einige Schwerpunkte aufgezeigt. Die Präsenz des projizierten Dias im Hörsaal wurde mehrzeitlich mit Faszination aufgenommen und hat einer kunsthistorischen Rhetorik Vorschub geleistet. Der Verlust der Originals wurde zwar konstatiert, in der Verwendung der Dias jedoch nicht weiter problematisiert. Die Parallelität von Wort und Bild hat den kunsthistorischen Diskurs medial authentifiziert und ihn von einer historisch-philologischen Kunstgeschichte weitgehend abgelöst. Die systematisierte und dadurch als objektiviert empfundene Kunstwissenschaft hat ihre Grundlage in der Kategorisierung und Schulung visueller Eindrücke gefunden und den Anschluss der Kunstwissenschaft an die Naturwissenschaft mit Hilfe reproduzierter und kategorisierbarer Abbilder postuliert.

Weiterführende Überlegungen zum Phänomen der Diaprojektion sollen nun folgen. Sie versuchen, die Dichotomie zwischen der angestrebten Objektivierung des Studienobjekts und der offenbaren Subjektivierung seines Umgangs aufzulösen. Die Diaprojektion wird dabei als paradigmatisches Modell vorgestellt, das die Speicherung unserer visuellen Eindrücke erleichtert.

III.

Das Dia ist ohne Projektion nicht vollständig. Wie der Name »Diapositiv« bereits verrät, handelt es sich um einen Gegenstand, der durchsichtig (griech. »diá« für »durch«, bzw. »diapháneia« für Durchsichtigkeit) und im Gegensatz zum Fotonegativ »positiv« ist. Entgegen dem fotografischen Abzug, der aus einem Zweifachprozess entsteht, – vom Negativtransparentbild zum Positiv-Papierabzug − ist der Diapositivprozess ähnlich den ersten fotografischen Versuchen ein einfacher Prozess: Die Bildinformation wird mit Hilfe des Fotoapparates auf dem Bildträger eingeschrieben und nicht mehr kopiert. Der Daguerrotypie ähnlich ist das Diapositiv ein Unikat und die Herstellung eines zweiten Exemplars als Kopie stets mit einem Verlust an Qualität und somit an Bildinformation verbunden.

Es liegt in der Natur dieses Mediums, dass es erst im Moment der Projektion zu seiner Einheit und Eigentlichkeit findet. Das Motiv eines transparenten Kleinformats kann zwar von blossem Auge erkannt werden, doch scheint es dem Betrachter in diesem Zustand noch verschlossen zu sein. Hilfsmittel wie Leuchtpult und Vergrösserungsglas geben ein genaueres, wenn auch noch sehr eingeschränktes Bild wieder. Erst in der Projektion findet das Dia seine Vollendung, was ohne zusätzliche Apparatur nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass ein Diapositiv nur in einer bestimmten Umgebung gezeigt werden kann und eine gewisse Statik mit sich bringt. Die Projektion ist raumbezogen, parallel zum Erdboden und benötigt eine mit Vorteil weisse Wand, die im rechten Winkel zum Lichtstrahl steht. Das Dia wird mit Hilfe von Linsensystem und Lichtstrahl um ein Mehrfaches vergrössertliv und das Licht an der Wand reflektiert. Die Qualität des projizierten Dias ist nur bedingt mit den verhältnismässig kleineren Positiv-Papierabzügen zu vergleichen.

In der Diskussion zur Vermittlung der Kunstgeschichte durch Reproduktionen wird keine Unterscheidung von Dia und Fotografielv gemacht, solange es um die grundlegende Tatsache des »Verlusts des Originals«lvi geht. Die Fotografie bzw. die Diaprojektion wird unter dem Begriff der Reproduktionlvii jeweils da zitiert und differenziert, wo sie im historischen Kontext jeweils auftaucht. Doch gerade in einer Diskussion, die sich mit der Historizität und der bedingten Einflussnahme verschiedener Medien auf bestehende Wissensordnungen auseinandersetzt, ist es um so bedeutender, dass Unterscheidungen getroffen und Verallgemeinerungen vermieden werden. So ist oft unklar, in welcher Form sich die »optischen Hilfsmittel« und »technischen Apparate«, die sich »in den Prozess kunstwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung ein[schlichen] und […] auf Forschungsthemen und -methoden [einwirkten]«lviii von der Fotografie differenzieren und welcher Einfluss beiden jeweils zugeschrieben werden kann. Wenn in diesem Zusammenhang von den »neuen Medien« gesprochen wird, die in »ihrem Verhältnis zur Kunst, insbesondere zur Malerei und zu älteren Reproduktionsverfahren wie Kupferstich, Lithographie und Holzstich, diskutiert und positioniert«lix wurden, ist genau genommen Fotografie und Diaprojektion gemeint. Die dazugehörigen Quellenangabenlx erwähnen aber explizit entweder das eine oder das andere, nicht aber beides. Die Frage, ob eine Differenzierung der beiden Medien nötig oder vernachlässigbar ist, erscheint aufgrund der ontologischen Differenzen und dem grundsätzlich unterschiedlichen Gebrauch beider Medien berechtigt. Ebenso muss die Bedeutung des jeweiligen Gegenstands für die Entwicklung des Fachs hinterfragt werden.

Überblickt man die wissenschaftliche Diskussion zu Fotografie und Diaprojektion in Bezug auf ihre thematischen Schwerpunkte seit ihrer Erfindung, so lassen sich zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen erkennen. Im Kontext der Einführung der Fotografie in die Wissenschaft werden die Ursachen der Objektivitätlxi festgelegt, die sich primär durch ihre referentielle Beziehung zwischen Original und Kopielxii erklärt. Ein weiteres Merkmal der Objektivität wird in der durch die Mechanik bedingte ausgeklammerte Autorschaft gesehen, die gleichwertig jedes durch das Licht eingefangene Detail abbildet. Die Mechanik reduziert den »Negativcharakter« (die »gefährliche Subjektivität«lxiii) der Autorschaft durch moralisierte Vorstellungen der Selbstbeherrschung seitens des Wissenschaftlerslxiv auf ein Minimum und reduziert die Reproduktion auf ein »Geschichtsdokument«, das stellvertretend für das Kunstwerk ist.lxv In einem erweiterten Sinn werden Fragen der Sichtbarmachung gestellt, wie sie in der Fotografie als vermittelndes Medium auch innerhalb der Astro- oder Mikrofotografie zu finden sind.lxvi

Im Bereich der Diaprojektion ist von Kunstvermittlung und Anschauungsunterricht die Rede, vom Problem der Beschaffung und Einordnung geeigneter Dias,lxvii von der Unvergesslichkeit und Bewunderunglxviii und vom »Verlust des Originals«,lxix der oftmals ob der Diareihen in Vergessenheit gerät.lxx In der Zeit ihrer Einführung wird bisweilen noch die Furcht vor dem »falschen Phantasiebilde«lxxi angesprochen. Die Bedeutung der Projektion für die kunsthistorische Methodik wie der Stil- und Formanalyse oder der vergleichenden Kunstbetrachtung beherrscht die Diskussion.

Die Anfänge des Faches der Kunstgeschichte sind geprägt durch die Einrichtung eigenständiger Institutelxxii und den Versuch, dem Status der Kunstgeschichte als der allgemeinen Geschichte untergeordneten Hilfswissenschaft zu entkommen. Die Erfindung und die Anwendung der Fotografie in Form der Kunstreproduktion wird in diesem Zusammenhang als Bedingung für die Etablierung der wissenschaftlichen Disziplin genannt, die erst eine »Historisierung« der Kunstgeschichte möglich gemacht hatte. An der »Existenz einer wissenschaftlichen Abbildungstechnik«lxxiii wurde weder bei fotografischer noch grafischer (!) Reproduktion gezweifelt. Die Retusche oder die Handkolorierung wurden beispielsweise als »spielerisches Ästhetentum«lxxiv abgeurteilt. In diesem Sinne scheinen sich wissenschaftliche Konventionen bereits sehr früh konsolidiert zu haben. Nach der »Enthistorisierung« (Tietenberg), d.h. »Trennung des Wissenschaftlers von seinen Arbeitsmitteln«lxxv durch den »idealen Betrachter«lxxvi (wobei hier nichts anderes als der Kunsthistoriker gemeint ist, der die Gefahren der falschen, perspektivisch verzerrten Aufnahmen kennt) konnte laut Tietenberg eine »Historisierung« im Sinne der wissenschaftlichen Klassifikation nach dem Vorbild der Natur- und Geschichtswissenschaften folgen.lxxvii

Heinrich Dilly hat den Kunsthistoriker kurz nach der Zeit der Lehrstuhlgründungen als jener »Bilderwerfer« beschrieben, der aus Liebe zum Apparat blind, anstatt sehend geworden ist und dem projizierten Dia eher sprachlos als sprachgewandt gegenüber steht. Für diesen Typus wird beispielhaft Heinrich Wölfflin herbeigezogen, dessen Vorlesung von einem seiner Schüler, Franz Landsberger, eindrücklich geschildert wurde.lxxviii Es handelt sich dabei um eine Beschreibung, die zwischenzeitlich in die Geschichte der Kunstgeschichte einging. Das »Staunen« dem Dia gegenüber steht in Widerspruch zur Etablierung des Faches, die mit der Objektivität, dem aufmerksamen Forscheraugelxxix und der Möglichkeit der Klassifizierung von Bildmaterial einhergeht. Die Entwicklung der Bildbestände der damaligen kunsthistorischen Studienräume, damals »Apparate« genannt, lässt auf ein Bedürfnis schliessen, das anwachsende Arbeitsmaterial der Reproduktionen zu klassifizieren und zugänglich zu machen. Im Vergleich zu den Vorlesungen Jakob Burckhardslxxx hatte sich die Situation bei seinem Schüler Wölfflin grundlegend geändert. Das Herumreichen von Abbildungen war auf Grund der gestiegenen Hörerzahl nicht mehr möglich, ebenso wenig die Anschaffung der Reproduktionen durch den Dozenten.lxxxi Am Münchner Lehrstuhl, den Wölfflin 1912 angetreten hatte, beschwerte er sich beim Universitätsausschuss und stellte die Durchführung einer dem »Publikum angekündigte Vorlesung« in Frage, falls im Auditorium Maximum keine »Projektionsmaschine«lxxxii aufgestellt würde.

Diese kunsthistorische Form der Vermittlung wurde auch mit »Zeigen und Schweigen«lxxxiii umschrieben − ein Schweigen jenem Bild gegenüber, das sich im Vergleich zum Original zwar als defizitär erwiesen hat, aber dennoch bis heute äusserst eigenständig im Vorlesungsbetrieb anzutreffen ist. Der Bildbeleg als Authentifierungsausweis, der sich in der Parallelität von Wort und Bild manifestiert, hat sich zur kunsthistorischen Konvention gemausert. Innerhalb dieser Konvention halten sich der Dozent, der Hörer, das gezeigte Bild und der gesprochene Text in der Schwebe. Dieser Zustand lässt gerade dann seine Unbequemlichkeit spüren, wenn im Plenum versucht wird, die Beweisführungen des Dozenten im Lichtfeld nachzuvollziehen. Dass sich die Diaprojektion, eingebettet in den kunsthistorischen Vortrag und in eine Black Box der stimulierten Wahrnehmung simulierter Bilder von den Fotografien gleichen Ursprungs unterscheiden muss, zeigt das Paradox des »Sehen im Dunkeln«.

IV.

Das Paradox der kunsthistorischen Diaprojektion lässt sich anhand der Aussage umschreiben, dass die »Sehprothese Diaprojektion« zu mehr und womöglich besserem Sehen verhelfe. Mit den Mitteln des Kunsthistorikers kann dieser Widerspruch zwar umrissen, doch nur in Ansätzen aufgelöst werden. Es ist eine noch zu leistende Aufgabe, interdiziplinäre Modelle zu finden, die zum Verständnis dieses Paradoxes beitragen. Obwohl das projizierte Dia an der Wand vergrössert wird, relativiert sich diese Grösse für den einzelnen Betrachter, je weiter entfernt er sich von der Projektion befindet. Man könnte dieses reziproke Verhältnis mit der Betrachtung einer Abbildung vergleichen, die sich nahe vor dem Auge befindet. Abgesehen von den kontextuellen Unterschieden des Wahrgenommenen verbessert die Sehprothese als bedeutungsgenerierendes Element nicht prinzipiell die Wahrnehmung des Individuums, sondern synchronisiert die Wahrnehmung einer Mehrzahl von Personen. Dieses kollektive Sehen, das den individuellen Blickpunkt in einem Bildraum auflöst, ist nicht in erster Linie qualitativ, sondern quantitativ zu begreifen. Das Paradox des »Sehen im Dunkeln«, das in natürlicher Umgebung zu einer Erhöhung der Lichtempfindlichkeit des Auges und einer Reduktion der Farbwahrnehmung führt,lxxxiv erinnert im diaprojektiven bzw. filmischen Sehen an das älteste Gesetz der experimentellen Psychologie. Das Weber-Fechner-Gesetz besagt, dass »der kleinste noch feststellbare Intensitätsunterschied direkt proportional zur Hintergrundintensität ist. Zünden wir beispielsweise eine Kerze in einem hell erleuchteten Zimmer an, so ist ihre Wirkung kaum wahrnehmbar. Ist der Raum jedoch dunkel oder nur von wenigen anderen Kerzen erleuchtet, dann verursacht eine zusätzliche Kerze einen deutlichen Unterschied.«lxxxv Je dunkler der Raum ist, um so mehr verstärkt sich bei gleichbleibender Lichtstärke des Diaprojektors die Wirkung der Projektion. Dies ist nur insofern erwähnenswert, als die Qualität des projizierten Bildes von der Helligkeit der Umgebung abhängt. Interessanter ist die Tatsache, dass man mehr bzw. besser sieht, wenn der Raum dunkel ist, obwohl sich in natürlichen Verhältnissen die Wahrnehmung im Dunkeln von derjenigen bei Tageslicht grundlegend unterscheidet. Dies impliziert nun, dass es sich bei der Wahrnehmung in einem Hörsaal (oder Kinosaal) um eine »unnatürliche« handelt, da das farbige Licht der Projektion in der Dunkelheit entgegen den Gesetzen des Farb- und Hell-Dunkel-Sehens als farbig empfunden wird. Innerhalb der Kunstgeschichte erscheinen diese Verhältnisse umso mehr als Paradoxon, weil die Forderung an »richtiges« Licht bei Malern wie Kunstbetrachtern eines der grundlegenden Anliegen ist.

Die Wahrnehmung des betrachteten Bildes im Dunkeln, die Situation im Hörsaal, unterscheidet sich faktisch von der Wahrnehmung, wie sie beispielsweise in einem Museum vorgefunden wird. Die mentale Ausblendung der Umgebung durch die Dunkelheit soll hier nicht in etymologischen Parametern erklärt werden. Jene setzen die Wahrnehmung mit der hervorgerufenen Aufmerksamkeit gleich, die entscheidend für die Aufnahme innerhalb unseres Wahrnehmungsapparates ist.lxxxvi Die Frage nach einer Neubewertung der Diaprojektion in den kunsthistorischen Hörsälen stellt sich vielmehr innerhalb eines »raum-anthropologischen« Ansatzes. Das projizierte Dia als mediales Bild ist grundsätzlich anders in unserer Umwelt verankert als das traditionelle Tafelbild. Das Tafelbild als Idealbild der Perspektivlehre spielt im Diskursfeld zwischen Wissenschaft und Kunstlxxxvii eine bedeutende Rolle und gilt als Metapher des Sehens schlechthin. Die Lehre von der Projektion dreidimensionaler Gegenstände auf eine zweidimensionale Fläche und die Theorie des Lichts bedingen sich gegenseitig − Parameter, die bei der Diaprojektion nicht mehr gegeben sind. Mit der Adaption des von Christian Metz und Jean-Louis Baudry für die psychoanalytische Filmtheorie vorgeschlagenen Konzepts des kinematographischen Apparatus bzw. Dispositivslxxxviii in die Kunsthistoriografie soll ein Wahrnehmungsmodell erläutert werden, das den Bildergebrauch des Fachs im Falle der Diaprojektion in ersten Ansätzen skizziert.

V.

Ein Bild wird erst dann zum Bild, wenn es uns gegenüber steht. Unser Augenpaar erfasst den Ausschnitt der Umwelt, der vor uns, nicht hinter uns liegt. Der Schnitt durch die Sehpyramide wird zum Bild und kann durch ein artifizielles Bild ersetzt werden. Als berühmtestes Beispiel gilt Brunelleschis Konstruktion der Baptisterium-Bildtafel.lxxxix Die Perfektion der Abbildung und die sich ins Immaterielle zurückziehende Bildoberfläche wird Massstab der Illusionsfähigkeit des Bildes. Die Unfähigkeit des Auges, auf Distanz Bildoberflächenstrukturen zu erkennen, ist die wichtigste Voraussetzung für diese Illusion und Augentäuschung.xc Die Augentäuschung ist das Ideal des Bildes, das sich innerhalb der Sehpyramide und damit an einem ganz bestimmten Ort des dreidimensionalen Wahrnehmungsraumes des Betrachters befindet. Diese Konstruktion legt die Distanz des Betrachterauges zum Gegenstand − sie fällt nur in der »umgekehrten Perspektive« der Anamorphose auf sich zurück, d.h. wird ins Bild verlegtxci − und damit die Herrschaft des Blicks über das »Angeblickte«, die Subjektdominanz fest.

Im dunklen Raum, sei es der kunsthistorische Hörsaal, der Kinosaal oder ihre Vorgängerin, die Camera obscura,xcii wird die Sehpyramide vom Lichtstrahl des Projektionsapparates (bei der Camera obscura des Lichtloches) ersetzt. Das Kameraauge steht stellvertretend für das Auge des Fotografen bzw. Kameramannes. Die Betrachter sind in den Wahrnehmungsraum der Black Box aufgenommen und an den Rand des Lichtkegels gedrängt,xciii ohne mehr eindeutig lokalisierbar zu sein. Der Wahrnehmungsraum wird zum Körper (bzw. zu seiner Metapher), die Projektion an der Wand zur direkten visuellen Stimulation. Das projizierte Bild fällt auf die Netzhaut des Auges und gleichsam ins Dunkle des Raumes, mit dem das Augeninnere zur Einheit verschmilzt.xciv Zwischen dem Betrachter und der Quelle des Blicks ist keine räumliche Vorstellung und keine Distanz mehr im herkömmlichen Sinne erfahrbar. Das Bild entsteht, wie schon in der Camera obscura, ohne ein Dazutun des Betrachters, der entkörperlicht und autark, nur noch Projektionsraum wird. Die Dissoziation von Betrachter und beobachteter Welt führt zu einer veränderten Zuschreibung des Subjekts, das zwar als intelligibles Wesen noch zentral bleibt, im Dispositiv durch seine bedingte Externalisation jedoch eine Leerstelle markiert.xcv (Abb. S. ….)

Der Betrachter befindet sich in der Blicksituation des »Apparatus«. Mit diesem Begriff sind zum einen die technischen Komponenten wie Licht, Projektionsapparat und Bildmaterial gemeint, wie auch die Bedingungen der Projektion. Die wichtigsten Parameter sind der verdunkelte Raum, die Immobilität durch einen zugewiesenen Platz, die erleuchtete Projektionswand an der Stirn des Raumes und der projizierte Lichtkegel von hinten. Im übertragenden Sinne wird unter »Apparatus« das Bildmedium per se verstanden, das den Film bzw. die Bildprojektion als lesbaren »Text« in visueller Kontinuität repräsentiert und einen glaubwürdigen Realitätseindrucks vermittelt. Als Begriff der psychoanalytischen Filmtheorie steht er auch für die »mentale Maschinerie« des Betrachters, dessen bewusste Wahrnehmung und unbewusste wie vorbewusste Prozesse ihn zum Subjekt des Verlangens konstituieren.xcvi Die Mechanismen des filmischen Sehens, wie die von Metz und Baudry erläuterte augenscheinliche Traumsituationxcvii und die Schaulustxcviii im Kino funktionieren bedingt für die Diaprojektion in den kunsthistorischen Hörsälen und das diaprojektive wie das kinematographische Dispositiv entsprechen in den meisten Parametern der Aufführungssituation. Ihr Unterschied liegt in den spezifischen Details begründet: Diaklick, stehendes Bild, Leerstellen, Rednerpult und keine totale Verdunklung verweigern die komplette Vereinnahmung, wie sie im kinematographischen Dispositiv zur Ausführung kommt.

VI.

Projizierte Bilder in Hörsälen rufen ihre (imaginäre) An- und (materielle) Abwesenheitxcix zugleich in Erinnerung. Hier lässt sich fragen, welche Bedeutung gerade diese Bilder für die Kunstgeschichtshistoriografie haben und wie sie nicht nur die Wahrnehmung der Kunsthistoriker, sondern auch ihre Haltung dem Bild gegenüber verändert haben. Kunsthistoriker als »Bilderwerfer«? Die abschliessenden Überlegungen subjektivster Art sollen Anlass zur weiteren Auseinandersetzung mit den Bildern der Kunstgeschichte geben. Es ist zu überlegen, welche Bilder der Kunstgeschichte eigentlich vergegenwärtigt werden, befindet man sich beispielsweise im Prozess des Schreibens. Sind es Bilder aus Museen, aus Bildbänden oder Hörsälen? Können wir ihre unterschiedliche Materialität in der Erinnerung noch unterscheiden? Welche Bildinformationen bleiben gespeichert? Sind Erinnerungen an ein Bild zwar vage, doch aber der Differenzierung fähig? Kurz: Wie funktioniert das »Kino im Kopf«?

Karl Clausberg hat auf eine einleuchtende Analogie zwischen Erinnerung und Projektion hingewiesen. Der Autor sieht die Titelillustration der »Ars memoriae« (1619) des englischen Esoterikers Robert Fludd als eine Ergänzung zu Descartes’ »Dioptrik« und zu der bahnbrechenden Publikation Johannes Keplers über die Entstehung von Netzhautbildern. In Fludds Grafik führt von einem dritten Auge, dem »Oculus imaginationis«, ein Sehstrahlenbündel auf eine fünfgeteilte Projektionsfläche, die als inneres Visionsfeld mit austauschbaren Bildinhalten interpretiert wird.c Entgegen der bis in die Antike zurückreichenden Vorstellung der Merkorte, die sich in konkreten räumlichen Verhältnissen situieren und zur Zeit Fludds als Theaterbauten vorgestellt werden, weist das Fünf-Felder-Schema der »Ars memoriae« eine augenscheinliche Zweidimensionalität auf. Für Clausberg scheint die projektive Zweigleisigkeit ein »Reflex der künstlerisch/technisch/wissenschaftlichen Diversifikation von Abbildungsverfahren«ci zu sein. Im Hinblick auf diese subjektiv imaginierten Bildprojektionen liegt die Frage nach der Verbindung zur gleichzeitig verwendeten Laterna magica (und damit auch nach der Lichtbildprojektion) auf der Hand.cii Fludds singuläres »Auge der Imagination« [oder der Erinnerung, S.N.], »das so schön den ideellen Zyklopenblick des 19. Jahrhunderts vorwegnimmt«ciii und auf die Operationsweise der Camera obscura hinweist, evoziert die Analogie zum »Kino im Kopf« sowie zur Gleichschaltung von monokularem Kameraauge und binokularem menschlichen Gesichtsfeld.civ Die Projektion des dritten Auges bei Fludd fungiert als arrangierte Abfolge von Merkorten, was Clausberg zu einem weiteren Vergleich mit heutigen Bildprojektoren und mit der Ordnung von Diareihen in Schubladen und Archivkästen anregt.cv

Interessant ist nun die Frage, inwieweit der Umgang mit projizierten Bildern auch zu einer Verflachung der Vorstellungsformen geführt hat, wie dies durch Fludds Illustration vorweggenommen wurde. Diese Titelillustration kann nicht nur als Hinweis auf eine »wechselseitige Durchdringung von Gedächtnismodellen und entstehenden Bildtechnologien«cvi seit dem 17. Jahrhundert gelten, sondern auch als figurative, historisch verwandte Analogie zu projizierten Bildern in Form von Gedächtniszitaten und virtuell-manuellen Bilderarchiven. Reinhard Brandt hat jüngst wieder das Phänomen der Wahrnehmung untersucht und hat dabei die Art einer »Qualitätswahrnehmung« näher beschrieben, in der bestimmte Eigenschaften unterschiedlich verarbeitet werden.cvii Es soll dabei möglich sein, die »unbenannten Differenzen in der Erinnerung aufzubewahren und sie im Gedächtnis zu reproduzieren.«cviii Auf Grund von Gerüchen können so Erinnerungsbilder hervorgerufen werden. Vergleichbar ist dies mit der uns bekannten Schulung der Farbwahrnehmung in Akademien, in der Farben eingeprägt und an anderer Stelle wieder reproduziert werden mussten. Die Synopsis der ursprünglichen Palette mit der neu erstellten Farbsequenz ermöglichte eine Beurteilung nicht nur der Unterscheidungsfähigkeit von Farben, sondern auch des Erinnerungs- und Reproduktionsvermögens.cix

Im Kontext der Kunsthistoriografie stellen sich ähnliche Fragen: Welche Art von Bildern werden besser memoriert, inwieweit ist ein »Bild im Kopf« immateriell und welche Kontexte werden als Hintergrundfolie mitgespeichert. Sind es der Duft von Ölfarbe, das Craquelé auf der Bildoberfläche, die Art des Rahmens oder die persönliche Verfassung zur Zeit der Betrachtung, welche die Qualität der Bildspeicherung beeinflussen? Dass es dabei nicht nur um die Frage nach der Materialität von Originalen und Bildreproduktionen, sondern auch um den »Ort der Erinnerung«cx geht, zeigt auf eindringliche Weise das Diapositiv in den kunsthistorischen Hörsälen. Es verkörpert ein »Konzept« der Erinnerung, da es eine bestimmte Art und Weise der Vermittlung impliziert, die in diesem Medium eingeschrieben ist. Die Durchsichtigkeit des Diapositivs beinhaltet konzeptuelle Aspekte, da sie sich nicht auf ihre Qualität, transparent zu sein, reduzieren lässt. Sie ist ideelle Ausgangslage, die der Erweiterung bedarf. Zum einen ist die physikalische Vergrösserung gemeint, die dem Diapositiv zum eigentlichen Sein verhilft. Zum anderen ist die (konzeptuelle) Forderung an den Betrachter anzuführen, seinen Teil zur Vollständigkeitswerdung des Bildes beizutragen und konzeptuell zu denken. Indem er das Dia in den laufenden Projektor einschiebt und als Rezipient auf die »Bildwerdung« im Raum reagiert, setzt er sich vergleichbar zur konzeptuellen Kunst einem »katalysatorischen Effekt« aus, den das diaphane Bild an den Betrachter heranträgt.

 

i Von der digitalen Kunstgeschichte wird die digitalisierte Kunstgeschichte unterschieden, die mit schnellerem Bildzugriff, doch mit gleichen wissenschaftlichen Methoden operieren will. Vgl. Reichle, Ingeborg, Medienbrüche, in: kritische berichte, Heft 1, Jg. 30, 2002, S. 52; Pias, Claus, Maschinen/lesbar, in: Bruhn, Matthias (Hg.), Darstellung und Deutung. Abbilder der Kunstgeschichte, Weimar 2000, S. 127−144; Kohle, Hubertus, Kunstgeschichte digital. Eine Einführung für Praktiker und Studierende, Berlin 1997.

ii Neuere Beiträge und ausführliche Berichte zur Einführung der Diaprojektion in die Kunstwissenschaft finden sich bei: Ratzeburg, Wiebke, Mediendiskussion im 19. Jahrhundert. Wie die Kunstgeschichte ihre wissenschaftliche Grundlage in der Fotografie fand, in: kritische berichte, Heft 1, Jg. 30, 2002, S. 22−39; Reichle 2002 (wie Anm. 1), S. 40−56; Nelson, Robert S., The Slide Lecture, or The Work of Art History in the Age of Mechanical Reproduction, in: Critical Inquiry, Vol. 26, No. 3, Chicago 2000, S. 414−434; Bruhn 2000 (wie Anm. 1); Wenk, Silke, Zeigen und Schweigen. Der kunsthistorische Diskurs und die Diaprojektion, in: Schade, Siegrid, Konfigurationen: Zwischen Kunst und Medien, München 1999, S. 292−305; Fawcett, Trevor, Visual Facts and the Nineteenth-Century Art Lecture, in: Art History, Vol. VI, No. 4, 1983, S. 442−460.

iii Donald Preziosi verwendet für meinen Begriff des »diaprojektiven Dispositivs« den der »diskursiven Maschinerie«, der einen bildlicheren Hinweis für die Bedeutung technischer Apparate in der kunstwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung liefert. Preziosi, Donald, Rethinking Art History. Meditations on a Coy Science, New Haven/London 1989, S. 55. Zum Begriff des Dispositivs vgl. Anm. 88.

iv Dilly, Heinrich, Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung, in: Below, Irene (Hg.): Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, Giessen 1975, S. 153−172.

v Klotz, Heinrich, Über das Abbilden von Bauwerken, in: architectura, 1, 1971, S. 7, zit. nach Dilly 1975 (wie Anm. 4), S. 155.

vi Klotz 1971 (wie Anm. 5), S. 7. Zur Reproduktion als Geschichtsdokument vgl. Tietenberg, Annette, Die Fotografie – eine bescheidene Dienerin der Wissenschaft und Künste? Die Kunstwissenschaft und ihre mediale Abhängigkeit, in: Tietenberg, Annette (Hg.), Das Kunstwerk als Geschichtsdokument, (Festschrift für Hans-Ernst Mittig), München 1999, S. 61−80.

vii Klotz 1971 (wie Anm. 5), S. 7.

viii Klotz 1971 (wie Anm. 5), S. 7. Vgl. auch Dilly, Heinrich, Das Auge der Kamera und der kunsthistorische Blick, in: Richard Hamann zum 100. Geburtstag, (Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft), 20. Bd., Marburg 1981, S. 81−89. Zur mediatisierten Kunsterfahrung vgl. Huber, Hans Dieter, Die Mediatisierung der Kunsterfahrung, in: Zahlten, Johannes (Hg.), 125 Jahre Institut für Kunstgeschichte Universität Stuttgart, (Herwarth Röttgen zum 60. Geburtstag), Stuttgart 1991, S. 108−130.

ix Dazu oftmals zitiert Jakob Burckhardt, der auf Grund des Gerüchtes um den Brand des Louvre forderte, alle Kunstwerke durch Fotos für die Nachwelt zu erhalten: »[…] auch die verrussten und übel verschmierten Denkmäler können (dereinst vielleicht nur in blossen Abbildungen) noch mehr als einmal als Offenbarung wirken. Es kann ja wieder einmal eine verarmte, einfach gewordene, nicht mehr nervöse, übergelehrte, grossstädtische Menschheit aufwachsen, welche wieder von solchen Werken begeistert wird. Seit der Photografie glaube ich nicht mehr an ein mögliches Verschwinden und Machtloswerden des Grossen.« Burckhardt, Jakob, Briefe, X, Nr. 1622, S. 293−294 (24. September 1896, an Heinrich Wölfflin), zit. nach Amato, Katja, Skizze und Fotografie bei Jakob Burckhardt, in: Bruhn 2000 (wie Anm. 2), S. 55.

x Dilly, Heinrich, Die Bilderwerfer – 121 Jahre kunstwissenschaftliche Dia-Projektion, in: Kemke, Kai-Uwe (Hg.), Texte zur virtuellen Ästhetik in Kunst und Kultur. Ein elektronisches Handbuch, Weimar 1995, S. 134−164.

xi Erste Projektionsapparate für populärwissenschaftliche und unterhaltende Zwecke waren Kalklichtapparate, wie sie von Thomas Drummond 1826 beschrieben und beispielsweise als Doppel-Apparate am Manchester Mechanic’s Institute Mitte des 19. Jh. verwendet wurden. Mit der Erfindung der elektrischen Glühbirne 1878 war erstmals eine gleichmässige und komfortable Versorgung der Apparate mit Licht gewährleistet. Zu frühen Projektionsapparaten in Unterhaltung und Wissenschaft vgl. Coe, Brian, The History of Movie Photography, Westfield, NJ 1981; Leighton, Howard B., The Lantern Slide and Art History, in: History of Photography, Vol. 8, No. 2, April-June 1984, S. 107−118; Liesegang, Ed. Paul, Die Projektionskunst und die Darstellung von Lichtbildern für Schulen, Familien und öffentliche Vorstellungen, Leipzig 1909, in: Kessler, Frank/Lenk, Sabine/Loiperdinger, Martin, KINtop 8. Film und Projektionskunst. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, Frankfurt am Main/Basel 1991, S. 21−29; Stein, Sigmund Theodor, Die Optische Projektionskunst, in: Das Licht im Dienste wissenschaftlicher Forschung. Handbuch der Anwendung des Lichtes, der Photographie und der optischen Projektionskunst in der Natur- und Heilkunde, in den Praktischen Künsten und dem Baufache, im Kriegswesen und bei der Gerichtspflege, Band 2, Halle a.S. 1888, S. 229−338. Zur Geschichte der frühen Medien vgl. Hick, Ulrike, Geschichte der optischen Medien, München 1999; Busch, Bernd, Belichtete Welt. Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie, Frankfurt am Main 1995; Von Dewitz, Bodo/Nekes Werner (Hg.), Ich sehe was, was du nicht siehst! Sehmaschinen und Bilderwelten. Die Sammlung Werner Nekes, Ausst. Kat. Museum Ludwig, Afga Photo-Historama, Köln 27.9.−24.11.2002.

xii Meyer musste offensichtlich mit fremdem und unzureichend vorbereitetem Material auskommen. Vgl. Meyer, Bruno, Glasphotogramme für den kunstwissenschaftlichen Unterricht im Projectionsapparat zu gebrauchen, Karlsruhe 1883. Meyer preist in diesem Verkaufskatalog an die 4000 verschiedenen Motive an, die er selbst zusammengetragen bzw. hergestellt hat. Angaben über Herkunft und Massstab der Originale gaben den Glasbildern eine wissenschaftliche Qualität. In einem Vortrag erwähnt Max Schmid, dass Meyer vor allem Glasbilder verwendete, die mit Kohledruck hergestellt wurden. Diese seien jedoch so matt, dass sie oft kaum erkennbar sind. Vgl. Schmid, Max, Vortrag des Herrn Professor M. Schmied – Aachen über Lichtbilder-Apparate im kunsthistorischen Unterricht, in: Offizieller Bericht über die Verhandlungen des kunsthistorischen Kongresses zu Köln, 1.−3. Oktober 1894, (Reprint), Nendeln 1978, S. 46−47.

xiii Vgl. Lankheit, Klaus, Kunstgeschichte unter dem Primat der Technik, in: Karlsruher Akademische Reden, N.F. 24, Karlsruhe 1966, S. 7. Es ist hier anzumerken, dass in den deutschen naturwissenschaftlichen Instituten schon früher Projektionsapparate zum Einsatz kamen. Ich möchte hier auf das Privat-Laboratorium des Physiologieprofessors Johann Nepomuk Czermak (1828-1873) in Leipzig hinweisen. Czermak, der ein guter Freund Anton Springers war, hatte ähnliche Einrichtungen auf einer Reise in London 1869 besucht. Sein »Czermak’sches Spektatorium« wurde 1872 eröffnet, bot 500 Zuhörern Platz und stand auch anderen Universitätsangehörigen zur Verfügung. Springer gründete 1873 in Leipzig den kunsthistorischen Lehrstuhl und muss von diesem Spektatorium ebenso wie Bruno Meyer gewusst haben, der wie Czermak einen Projektionsapparat der Firma Harnecker in Wriezen a. d. D. besass. Vgl. Springer, Anton, Johann Nepomuk Czermak. Eine biographische Skizze, in: Cermak, Johann Nepomuk, Gesammelte Schriften. Populäre Vorträge und Aufsätze, Bd. 2, Leipzig 1879, S. XI−XLVL und Meyer, Bruno, Die Photographie im Dienste der Kunstwissenschaft und des Kunstunterrichts, in: Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte, XLVLL, 1879, S. 310.

xiv Waetzold, Wilhelm, Deutsche Kunsthistoriker. Von Passavant bis Justi, Bd. 2, Leipzig 1924, S. 223−234.

xv Grimm, Herman, Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons, in: Beiträge zur Deutschen Culturgeschichte, Berlin 1897, S. 276−395.

xvi Schmarsow, August, Die Kunstgeschichte an unseren Hochschulen, Berlin 1891, S. 34. Schmarsow weiter: »Damit ist die Schwierigkeit, die uns gerade die Hauptsache zu gefährden scheint, nicht gelöst, sondern zur Seite geschoben, als ob sie gar nicht da wäre, − ja, als wäre jeder weitere Versuch ein pädagogischer Missgriff, ein verhängnisvoller Irrtum. Für den Redner ist diese Befreiung von Vorlagen allerdings sehr bequem; viele der Besten können es nicht vertragen, an die sinnfällige Erscheinung, die allen kontrolierbar vor Augen steht, sich gebunden zu fühlen. Das Aufweisen der Einzelheiten stört die Zusammenfassung des Ganzen, überhaupt das Wirtschaften mit Objekten den Fluss des Vortrags, die Schnelligkeit der Gedanken.«

xvii Schmarsow 1891 (wie Anm. 16), S. 34−35.

xviii Vgl. Anm. 16.

xix Vgl. die Beschreibung Wölfflins einer Vorlesung von Jakob Burckhardt, zitiert in: Jedlicka, Gotthard, Heinrich Wölfflin. Erinnerungen an seine Jahre in Zürich (1924−1945), in: Neujahrsblatt der Zürcher Kunstgesellschaft, Zürich 1965, S. 9.

xx Grimm 1897 (wie Anm. 15), S. 320.

xxi »Mit diesem Anblick beginne ich jetzt. Es verdunkelt sich der Hörsaal und das Werk erscheint auf der Wand, grösser als es in Wirklichkeit ist, den Zuhörern jedoch aus einiger Entfernung in der Grösse etwa darbietend wie das Original in der Brera zu Mailand dem dicht davor stehenden Betrachter.« Grimm 1897 (wie Anm. 15), S. 315, zum Grössenverhältnis auch S. 302.

xxii Grimm 1897 (wie Anm. 15), S. 315.

xxiii Zu einer Projektion von Michelangelos David meint Grimm, dass durch die »Vergrösserung ins Kolossale« die »wunderbare Schönheit des Kopfes« hervortrete und dass dieser Anblick seinen Zuhörern »unvergesslich bleiben« werde. Grimm 1897 (wie Anm. 15), S. 284. Und an anderer Stelle: »Im Gedächtnisse der lernenden jüngeren Generation, die die Geschicke unseres Volkes einmal leiten wird, bildet sich nun ein Schatz mächtiger Anschauungen.« Grimm 1987 (wie Anm. 15), S. 304. Adolf Goldschmidt, ein Schüler Grimms, berichtet in seinen Lebenserinnerungen, dass in Grimms Vorlesungen die »Projektion fast die ganze Wand füllte, was bei Architekturen sehr gut wirkte, aber im übrigen eine unangenehme Vergrösserung gegenüber den Originalen zeigte.« Vgl. Goldschmidt, Adolph, Lebenserinnerungen 1863−1944, hrsg. und kommentiert von Marie Roosen-Runge-Mollwo, Berlin 1989, S. 97.

xxiv Wölfflin wird ihre methodische Durchsetzung zugeschrieben.

xxv Schmid, Max, Das Skioptikon im kunstgeschichtlichen Unterricht, in: Offizieller Bericht über die Verhandlungen des kunsthistorischen Kongresses zu Budapest, 1.−3. Oktober 1896, (Reprint), Nendeln, 1978, S. 46−47. Schmid weist in seinem Bericht neben der Erläuterung zur Herstellung von eigenhändigen Zeichnungen und Pausen auf Glasbildern auch darauf hin, dass versucht werden müsse, wegen der Zerbrechlichkeit der Glasbilder dieselben auf Film zu kopieren, »ähnlich wie solche für den Kinematographen verwendet werden«. Die Verwandtschaft von Kinematographie, Projektionskunst und Diaprojektion ist nicht nur historisch belegt, sondern spiegelt sich auch in entsprechenden Apparaten wieder, die sowohl Filmstreifen wie Diabilder projizierten. Vgl. die Beschreibung eines solchen Apparates bei Liesegang (1909) 1991 (wie Anm. 11), S. 21−29.

xxvi Meyer 1883 (wie Anm. 12), Einleitung.

xxvii Schmarsow, August, Das kunsthistorische Institut, in: Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Bd. IV, Leipzig 1909, S. 172−179.

xxviii Dilly, Heinrich, Das Kunsthistorische Seminar der Hamburger Universität, in: Reudenbach, Bruno (Hg.), Erwin Panofsky. Beiträge des Symposions Hamburg, Berlin 1994, S. 1−14.

xxix Eine Geschichte der Bedeutung des Zeichnens in der Kunstgeschichte ist bis anhin noch nicht geschrieben worden. Die Stimmen, einen Zeichenunterricht (das Zeichnen wurde wohlgemerkt als »dilettantisch« bezeichnet) in den kunsthistorischen Seminaren einzuführen, waren vor der Jahrhundertwende zahlreich. Prominentester Vertreter war Heinrich Wölfflin, der einen solchen Unterricht in München einführen wollte. Vgl. zu dieser Thematik: Brunn, Heinrich, Archäologie und Anschauung (1885), in: Bulle, Heinrich/Brunn, Hermann, Heinrich Brunn’s kleine Schriften, Bd. III, Leipzig/Berlin 1906, S. 243−257; Kraus, Franz Xaver, Über das Studium der Kunstwissenschaft an deutschen Universitäten, Strassburg/London 1874; Lurz, Meinhold, Heinrich Wölfflin. Biographie einer Kunsttheorie, Worms 1981, S. 161−163; Von Oettingen, Wolfgang, Die Ziele und Wege der Neueren Kunstwissenschaft, Marburg 1888; Wölfflin, Heinrich, Über das Zeichnen, in: ders., Kleine Schriften (1886−1933), Basel 1946, S. 164−165. Vgl. auch Kemp, Wolfgang, »…einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen«. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500−1870. Ein Handbuch, Frankfurt am Main 1979.

xxx Hauttmann, Max, Ein Beitrag zur Kunstpädagogik. Verwendungsmöglichkeiten des Projektionsapparates in seminaristischen Übungen, in: Zeitschrift für Ästhetik und Kunstwissenschaft, Bd. 16, 1922, S. 501−505.

xxxi Hauttmann 1922 (wie Anm. 30), S. 501.

xxxii Hauttmann 1922 (wie Anm. 30), S. 505.

xxxiii Hauttmann 1922 (wie Anm. 30), S. 505.

xxxiv Schon die ersten Ankündigungen der Fotografie 1839 waren von Enttäuschungen über die fehlenden Farben begleitet. Es ist somit nicht verwunderlich, dass im Bereich der Farbe früh experimentiert wurde. 1855 legte der englische Forscher James Clerk Maxwell der Royal Society in Edinburgh eine wissenschaftliche Abhandlung vor, in der er die Dreifarbenfotografie mit Hilfe von roten, grünen und blauvioletten Filtern beschrieb. 1861 demonstrierte er die additive Farbmischung mittels Diapositiven und mit Farbfiltern versehenen Objektiven. Ein weiterer bedeutender Schritt war ab 1873 die Entdeckung verschiedener Sensibilisierungsstoffe. 1906 wurden die ersten panchromatischen Farbplatten von Wratten & Wainwright in London kommerziell vertrieben. Vgl. dazu Koshofer, Gert, Farbfotografie, (3 Bände), München 1981. Aby Warburg soll bereits 1912 ein Farbdia in einer Vorlesung verwendet haben, das er als ein »Lumière-Lichtbild« erwähnt. Vgl. dazu Warburg, Aby, Piero della Francescas Constantinschlacht in der Aquarellkopie des Johan Anton Ramboux (1912), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, Nendeln 1969, S. 251−254; Fawcett 1983 (wie Anm. 2), S. 457; Gombrich, Ernst H., Aby Warburg. An Intellectual Biography, Chicago 1986, S. 192.

xxxv Zur allgemeinen Entwicklung des Faches vgl. Dilly, Heinrich, Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979; Beyrodt, Wolfgang, Kunstgeschichte als Universitätsfach, in: Ganz, Peter/Gosebruch, Martin/Meier, Nikolaus/Warnke, Martin (Hg.), Kunst und Kunsttheorie 1400−1900, (Wolfenbütteler Forschungen), Wiesbaden 1991, S. 313−333.

xxxvi Zumindest bei den heute noch verwendeten Kleinbild-Diaprojektoren.

xxxvii Dilly 1995 (wie Anm. 10), S. 134−164.

xxxviii Wenk 1999 (wie Anm. 2).

xxxix Bredekamp, Horst, Warum ist es so schwierig, ein Dia zu zeigen?, in: Frankfurter Allgemeine, Berliner Seiten, 5.10.2000. Zu Platons Höhlengleichnis und dem Phänomen des Lichts im Vergleich mit der Bildprojektion vgl. auch Hick 1999 (wie Anm. 11) und Busch 1995 (wie Anm. 11).

xl Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 296.

xli Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 299.

xlii Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 300.

xliii Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 301.

xliv Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 301. Die Autorin bezieht sich in dieser genderkritischen Lesart der institutionalisierten Diaprojektion auf die psychoanalytische Medien- und Filmtheorie, die in Anlehnung an Lacans Analyse des »Spiegelstadiums« geschlechterspezifische Wahrnehmungsmuster und Kontrollmechanismen untersucht. Ein Vergleich der filmischen Betrachtereinbindung und -führung mit der Situation im Hörsaal scheint im Hinblick auf Autoritätsmechanismen vielversprechend.

xlv Wenk zitiert hier Herman Grimm; weitere Beschreibungen von frühen Vorlesungen mit Diaprojektion sind ausschnittweise angefügt. Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 301.

xlvi Nelson 2000 (wie Anm. 2).

xlvii Nelson 2000 (wie Anm. 2), S. 418.

xlviii Nelson 2000 (wie Anm. 2), S. 419.

xlix Daston, Lorraine/Galison, Peter, The Image of Objectivity, in: Representations, 40, 1992, S. 81−128.

l Nelson 2000 (wie Anm. 2), S. 432.

li Nelson 2000 (wie Anm. 2), S. 433; Fawcett 1986 (wie Anm. 2).

lii Ratzeburg 2002 (wie Anm. 2).

liii Reichle 2002 (wie Anm. 2).

liv Die Vergrösserung findet nur dann statt, wenn sich das in den Apparat eingeschobene Dia in einem Abstand vom Projektionsobjektiv befindet, der sich zwischen der einfachen und der doppelten Brennweite bewegt. Entfernt sich das Dia über die doppelte Brennweite hinaus, so ist das Bild kleiner als das Dia, liegt das Dia auf dem Brennpunkt, so ergibt sich überhaupt kein projiziertes Bild mehr. Vgl. Teicher, Gerhard, Handbuch der Fototechnik, Leipzig 1986. Der Topos der Lupe, die die Wahrnehmung des menschlichen Auges erweitere, wurde kurzerhand auch auf die Projektion übertragen, da die Vergrösserungen einen noch beeindruckenderen Eindruck hinterliessen wie Fotografien. Vgl. dazu Ruchatz, Jens, Fotografie und Projektion. Ein perfektes Paar, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 74, 1999, S. 3−12. Grimm verglich die Projektion mit dem Mikroskop, das das menschliche Sehvermögen erweitere und Dinge sichtbar mache, die einem sonst verborgen blieben. Vgl. Grimm 1897 (wie Anm. 15), S. 359−360.

lv So schreibt Annette Tietenberg: »Auffallend ist, dass Dilly seine Thesen stets auf den Einsatz der Diaprojektion in kunsthistorischen Lehrveranstaltungen stützt. Die Fotografie wird also per se als didaktisches Hilfsmittel begriffen.« Dabei subsumiert die Autorin Diaprojektion und fotografischen Positivabzug unter dem allgemeinen Begriff der Fotografie. Vgl. Tietenberg 1999 (wie Anm. 6), S. 70. Die alleinige Bezeichnung der Diaprojektion als didaktisches Mittel wäre in diesem Kontext eine richtige Beurteilung gewesen wäre.

lvi Gemeint ist das »Vergessen« des Originals im Anblick der Reproduktion. Paul Kristeller und Hans Tietze haben auf diese Möglichkeit mit Bedenken hingewiesen. Unter Reproduktionen meinen beide die »modernen Reproduktionstechniken«, d.h. die Fotografie (nicht das Dia an sich), die »nach einer augentäuschenden Genauigkeit in der bildlichen Wiedergabe« (Tietze) strebt. Vgl. Kristeller, Paul, Über Reproduktionen von Kunstwerken, in: Repertorium für Kunstwissenschaft, 31, 1908, S. 538−543; Tietze, Hans, Die Methode der Kunstgeschichte, Leipzig 1913, S. 252. Vgl. auch Bredekamp 2000 (wie Anm. 38) und Huber 1991 (wie Anm. 8), S. 108−130.

lvii Der Reproduktionen sind bekanntlich vieler: Zeichnungen, Stiche, grafische Druckverfahren, alle manuell auf Grund von Fotografien hergestellten Reproduktionen sowie die Fotografie eines Gemäldes, einer Reproduktion oder einer dreidimensionalen Umgebung. Schliesslich wird auch das Diapositiv als Reproduktion verstanden. Zum Begriff der Reproduktion, der schon für die Daguerrotypie und nicht erst mit (?) Talbot (ganzer Name) durch die Unterscheidung von Positiv- und Negativmaterial, bzw. materiellem und medialem Bildträger, ins Leben gerufen wurde, vgl. Tietenberg 1999 (wie Anm. 6), S. 62.

lviii Reichle 2002 (wie Anm. 2), S. 40.

lix Reichle 2002 (wie Anm. 2), S. 40.

lx Zumindest in den mir bekannten Fällen.

lxi Zur Fotografie und ihrer realontologischer Qualität vgl. Barthes, Roland, Die helle Kammer (1980), Frankfurt am Main 1989; Bazin, André, What is Cinema?, Berkeley/Los Angeles/London 1967; Kracauer, Siegfried, Theorie des Films. Die Errettung der äusseren Wirklichkeit, Frankfurt am Main 1973; Kemp, Wolfgang, Theorie der Photographie, Bd. I-III, München 1979/1980/1973; Berg, Roland, Die Ikone des Realen. Zur Bestimmung der Photographie im Werk von Talbot, Benjamin und Barthes, München 2001.

lxii Vgl. für den Bereich der Kunstwissenschaft Fawcett 1986 (wie Anm. 2); Wolfgang M. Freitag, Early Uses of Photography in the History of Art, in: Art Journal, Vol. XXXIX, No. 2, S. 117−123.

lxiii Daston, Lorraine/Galison, Peter, Das Bild der Objektivität, in: Greimer, Peter (Hg.), Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, Frankfurt am Main 2002, S. 31.

lxiv Das Prinzip der Naturtreue und der mechanisierten Objektivität haben Lorraine Daston und Peter Galison ausführlich dargelegt. Vgl. Daston/Galison 2002 (wie Anm. 63), S. 29−99.

lxv Dilly 1979 (wie Anm. 35), S. 151 ff.; Tietenberg 1999 (wie Anm. 6), S. 73.

lxvi Vgl. Greimer 2002 (wie Anm. 63); Schmidt, Dietmar, Das Gesicht der Mikroskopie, in: Keck, Annette/Pethes, Nicolas (Hg.), Mediale Anatomien. Menschenbilder als Medienprojektionen, Bielefeld 2001, S. 157−175; Breidbach, Olaf, Der sichtbare Mikrokosmos. Zur Geschichte der Mikrofotografie im 19. Jahrhundert, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 68/69, Jg. 18, 1998, S. 131−142.

lxvii Es wurde der Wunsch nach einem Musterbuch laut, aus dem man die gewünschten Dias bestellen könnte, denn »eine Bestellung auf blosse Titelangabe hin [war] oft ganz unmöglich«, denn die Aufnahmen zeigten meist nicht das, was für den Fachmann wichtig sei. Schmid 1894 (wie Anm. 12), S. 90. Noch in den siebziger Jahren war der Wunsch nach einem zentralen Nachweis aller lieferbaren Dias, die wie Bücher bestellt werden könnten, virulent. Vgl. Beyrodt, Wolfgang, Diareihen für den Unterricht, in: Below, Irene (Hg.), Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung, Giessen 1975, S. 173−187.

lxviii Ein Beispiel aus der frühen Zeit der Diaprojektion: »Der Eindruck, den diese Werke in der Verklärung des ebenso mächtig wie zart leuchtenden Scheines auf meine Zuhörer und ganz besonders auf mich selbst machen, wird mir unvergesslich bleiben. Wir wetteiferten in lauten Zeichen der Bewunderung.« Schmid 1894 (wie Anm. 12), S. 91.

lxix Vgl. Anm. 23 und 38.

lxx Als dritten Bereich könnten die Darstellungskonventionen in Buchpublikationen genannt sein. Vgl. dazu Haskell, Francis, Die schwere Geburt des Kunstbuchs, Berlin 1993; Tietenberg 1999 (wie Anm. 6); Gebhardt, Volker, Verlegte Kunst. Das Kunstbuch am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Bruhn 2000 (wie Anm. 2), S. 89−99.

lxxi Schmid 1894 (wie Anm. 12), S. 87.

lxxii 1868 wurde in Karlsruhe ein Ordinariat für Kunstgeschichte eingerichtet, nach Stuttgart das zweite seines Faches. Die polytechnischen Schulen in Deutschland waren die ersten, die Kunstgeschichte als ordentliches Lehrfach, noch vor den Universitäten, einführten (Stuttgart 1865, Karlsruhe 1868, Heidelberg 1894/96, Tübingen 1895). Rurüp, Reinhard, Friedrich Theodor Fischer und die Anfänge der Kunstgeschichte an der technischen Hochschule in Karlsruhe, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, 113, N.F. 74, 1965, S. 416.

lxxiii Tietenberg 1999 (wie Anm. 6), S. 68.

lxxiv Kristeller 1908 (wie Anm. 55), S. 542.

lxxv »Beim Aufbau der kunsthistorischen Lehrapparate erkannten sie die didaktischen Vorteile der Photographie, […] und sahen ausserdem in der Photographie die Chance, ihre wissenschaftliche Distanzierung vom Real-Objekt beweisen zu können. […] die technische Reproduktion [bildete] doch bald die Präsenzebene, auf der die bildende Kunst erschien. Sie förderte nicht die Distanzierung der Wissenschaft, wie sie Anton Springer erhofft hatte, sondern eine Identifizierung zwischen Realgegenstand und Medium, so dass das Medium zum Gegenstand der Disziplin wurde. Aus dem kunsthistorischen Blick wurde ein photographischer.« Dilly 1979 (wie Anm. 35), S. 156−157.

lxxvi Vgl. v.a. Wölfflin, Heinrich, Wie man Skulpturen aufnehmen soll, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, N.F. VII, 1896, S. 224−228; N.F.VIII, 1897, S. 294−297; N.F. XXVI, 1914, S. 237−244.

lxxvii Vgl. Tietenberg 1999 (wie Anm. 6), S. 64; Wenk 1999 (wie Anm. 2), S. 296.

lxxviii Landsberger, Franz, Heinrich Wölfflin, Berlin 1924, S. 93−94.

lxxix Es sei hier nochmals auf den Topos von Lupe und Mikroskop und damit der Parallelität von Kunst- und Naturwissenschaft hingewiesen. Er wurde nicht nur von Grimm verwendet, sondern auch von Schmarsow aufgegriffen. Schmarsow, August, Die Kunstgeschichte an unseren Hochschulen, Leipzig 1891. Vgl. auch Ginzburg, Carlo, Spurensicherung. Die Wissenschaft nach der Suche nach sich selbst (1983), Berlin 2002.

lxxx Vgl. von Salis, Arnold, Zum hundertsten Geburtstag Jakob Burckhards. Erinnerungen eines alten Schülers, Basel 1918, S. 270-306; Jedlicka, Gotthard, Heinrich Wölfflin. Erinnerungen an seine Jahre in Zürich, in: Neujahrsblatt der Zürcher Kunstgesellschaft, Zürich 1965, S. 9.

lxxxi Auf eine schriftliche Anfrage Wölfflins betreffend dem Ankauf einer Sammlung von 600 Fotografien antwortete Burckhardt nur mit Ratlosigkeit. Es wäre wünschbar, so Burckhardt, dass der Ankauf von akademischer Seite getätigt würde, doch es könne schwerlich davon die Rede sein, »weil die akademische Behörde bisher noch gar nie [.] mit Ankauf von Abbildungen behelligt worden« ist. Gantner, Joseph (Hg.), Jakob Burckhardt und Heinrich Wölfflin. Briefwechsel und andere Dokumente ihrer Begegnung 1882−1897, Basel 1989, S. 96.

lxxxii Brief vom 26.7.1912 von Heinrich Wölfflin an den Universitätsausschuss, Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München, A.II.6.3/II.

lxxxiii Wenk 1999 (wie Anm. 2)

lxxxiv Vgl. zur visuellen Wahrnehmung Gregory, Richard L., Auge und Gehirn. Psychologie des Sehens (1998), Reinbek bei Hamburg 2001.

lxxxv Gregory 2001 (wie Anm. 84), S. 122−123.

lxxxvi Vgl. Crary, Jonathan, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und moderne Kultur (1999), Frankfurt am Main 2002.

lxxxvii Vgl. Schmeiser, Leonhard, Die Erfindung der Zentralperspektive und die Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft, München 2002; Elkins, James, The Poetics of Perspective, Ithaca/London 1994.

lxxxviii Vom Begriff des »Dispositivs« (frz. dispositif), der die metaphorische Beziehung von Dingen oder Orten bezeichnet und als konzeptuelles Framework angesehen werden muss, ist der Begriff des »Apparatus« (frz. appareil de base) zu unterscheiden, da er expliziter noch auf die technischen Umstände hinweist (Freud hat den psychischen Apparat als Metapher einer Ordnung in Analogie zu optischen Apparaten definiert). Die Apparatus-Theorie vereint beide Ansätze und besagt, dass das Kino nicht nur eine (industrielle) Maschinerie ist, sondern auch ein mentaler bzw. psychischer Apparat. Die Apparatus-Theorie hebt die Funktion des Kinos hervor, den (psychoanalytisch begründeten) Mangel des Subjekts durch narrative Strukturen zu kompensieren und den Betrachter in den Illusionsprozess einzubinden. Vgl. Metz, Christian, Der imaginäre Signifikant. Psychoanalyse und Kino (1977), Münster 2000; Baudry, Jean-Louis, Das Dispositiv. Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks (1975), in: Psyche, 48. Jg., 11, 1994, S. 1047−1075; Stam, Robert/Burgoyne, Robert/Flitterman-Lewis, Sandy, New Vocabularies in Film Semiotics. Structuralism, Post-Structuralism and Beyond, London/New York, 1992; Rosen, Philip (ed.), Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader, New York, 1986. Vgl. auch Hick 1999 (wie Anm. 11), S. 77−80.

lxxxix Eine genaue Beschreibung findet sich in Schmeiser 2002 (wie Anm. 87). Vgl. auch Busch 1995 (wie Anm. 11), S. 61-67.

xc Vgl. Pirenne, Maurice H., Optics, Painting and Photography, Cambridge 1970; Veltman, Kim H., Perspective, Anamorphosis and Vision, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Nr. 21, 1986, S. 93−117.

xci Zur Anamorphose als umgekehrte Perspektive vgl. Baltusaitis, Jurgis, Anamorphic Art (1955), Cambridge 1977; Collins, Daniel L., Anamorphosis and the Eccentric Observer. Inverted Perspective and Construction of the Gaze, in: Leonardo 25, No. 1, 1992, S. 62−82; Topper, David, On Anamorphosis. Setting some things right, in: Leonardo, Bd. 33, 2000, S. 115−124; Veltman 1986 (wie Anm. 90).

xcii Die Camera obscura, das konstruktive Vorbild des Fotoapparates, war eine »dunkle Kammer«, die ein kleines Loch in der Wand besass, durch das das Bild der Aussenwelt auf die gegenüberliegende Wand oder einen Schirm projiziert wurde. Der Betrachter befand sich dabei innerhalb der Camera obscura. Vgl. Busch 1995 (wie Anm. 11), S. 245; Hick 1999 (wie Anm. 11), S. 22–77.

xciii In der Filmtheorie wird das Betrachterauge in der Regel mit dem Kameraauge gleichgesetzt. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für die Identifikation mit einem bestimmten Protagonisten. Vgl. zu diesem »Point-of-View«-Ansatz der Filmwissenschaft Branigan, Edward R., Point of View in the Cinema. A Theory of Narration and Subjactivity in Classical Film, Berlin/New York/Amsterdam 1984.

xciv Die reziproke Blickstruktur der »Geworfenheit« hat Lacan in seinen Aufsätzen zur Psychoanalyse erläutert. Sie zeichnet sich entgegen dem geometralen Raum der Optik durch einen Ort der visuellen Wahrnehmung (tableau) und einen Blick-Punkt aus und ist mit einem Vermittlermedium (écran, Schirm) ausgerüstet. Die Aktion des Blicks liegt dabei nicht im Subjekt, sondern der Blick tritt dem Subjekt entgegen, d.h. es findet eine Kreuzung (Kollision) der beiden und eine Projektion auf dem Schirm/Bild, dem »zähmenden Ort der Vermittlung« statt. Vgl. auch Boehm, Gottfried, Die Wiederkehr der Bilder, in: ders., Was ist ein Bild?, München 1994, S. 11−38; Lacan, Jacques: Was ist ein Bild/Tableau (1964), in: Boehm 1994 (wie Anm. 94), S. 75−89.

xcv Hick 1999 (wie Anm. 11), S. 77.

xcvi Stam/Burgoyne/Flitterman-Lewis 1992 (wie Anm. 88), S. 143.

xcvii wie Anm. 87.

xcviii Vgl. u.a. Mulvey, Laura, Visual and Other Pleasures, Bloomington 1989.

xcix »Film/Traum: Das Wissen des Subjekts«, in: Metz 2000 (wie Anm. 88), S. 79−85.

c Clausberg, Karl, Video, ergo sum? Licht und Sicht in Descartes’ Verständnis sowie Fludds Erinnerungsscheinwerfer − Ein Ausblick auf die Kunstgeschichte der virtuellen Bilder zwischen Mnemonik und Projektionstechnik, in: Breidbach, Olaf/Clausberg, Karl (Hg.), Video ergo sum. Repräsentation nach innen und aussen zwischen Kunst- und Neurowissenschaften, Hamburg 1999, S. 24. Vgl. auch Clausberg, Karl, Neuronale Kunstgeschiche. Selbstdarstellung als Gestaltungsprinzip, Wien/New York 1999.

ci Clausberg 1999 (wie Anm. 100), S. 26.

cii »Kündigt sich hier vielleicht schon ein stillschweigender Umschwung von ortsfixierter und architekturgebundener Gedächtnisablage zu freischwebend imaginativer Bildprojektion an, die zur gleichen Zeit mit der Erfindung der laterna magica technisch verwirklicht wurde?« Clausberg 1999 (wie Anm. 101), S. 26. Klaus Bartels hat darauf hingewiesen, dass später auch Leibniz in den 1704 abgeschlossenen Neuen Abhandlungen über den menschlichen Verstand den Verstand mit einer Camera obscura vergleicht, ein Gleichnis, das 1690 schon John Locke in seinem Essay Concerning Human Understanding verwendet hatte. Leibniz verwendet jedoch als neues Element die weisse Leinwand der Camera obscura, die mit beweglichen Falten ausgestattet wäre, welche die Kenntnisse darstellten. Bartels, Klaus, Proto-kinematographische Effekte der Laterna magica in Literatur und Theater des achtzehnten Jahrhunderts, in: Segeberg, Harro (Hrsg.), Die Mobilisierung des Sehens: Zur Vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst, (Mediengeschichte des Films Band 1), München 1996, S. 113−147, hier S. 128−131.

ciii Clausberg 1999 (wie Anm. 100), S. 28.

civ Wie Jonathan Crary ausführt, hat nur die kurze Phase des stereoskopischen Sehens im 19. Jahrhundert das heute im Medienbereich noch gültige Paradigma des monokularen Kamerablicks unterbrochen. Vgl. Crary, Jonathan, Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century, Cambridge, MA/London, 1990.

cv »Aber das vom solitären Imaginationsauge bestrahlte Bildfeld im fludd’schen Frontispiz verweist auch schon auf den Operationsmodus der camera obscura, also auf das damals aufsehenerregende optisch-mechanische Analogon der tierisch-menschlichen Sehorgane, das dann in folgerichtiger Umkehrung des Strahlengangs mittels rückwärtiger Lichtquelle zum Prototyp heutiger Bildprojektoren umfunktioniert wurde. Darüber hinaus scheint mit der selektiven Felderbestrahlung durchs dritte Auge eine Mehrfachprojektion oder sukzessive Erfassung von Bildinhalten anvisiert. Die sorgfältig arrangierte Reihenfolge von Merkorten war wesentlicher Bestandteil traditioneller Memorierungsverfahren; hier lassen sich in der Bildfolge auch schon technisch produzierte Sequenzen vorhersehen, die zunächst per Diapositivschublade und sodann in sortierten Archivkästen verfügbar wurden.« Clausberg 1999 (wie Anm. 100), S. 26.

cvi Clausberg 1999 (wie Anm. 100), S. 26.

cvii Brandt, Reinhard, Die Wirklichkeit des Bildes. Sehen und Erkennen – Vom Spiegel zum Kunstbild, München/Wien 1999, S. 55.

cviii Brandt 1999 (wie Anm. 107), S. 56.

cix Brandt 1999 (wie Anm. 107), S. 56.

cx Vgl. zum »Ort der Bilder« Belting, Hans, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001.

 

 

Comments are closed.